Ukrainische Flüchtlinge: Pflicht zur Führerscheinanerkennung bei dauerhaftem Wohnsitz

Symbolbild: Skoda Yeti Quelle: Flickr.com / RLGNZLZ
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BAYERN / DEUTSCHLAND. Knapp 150.000 Ukrainer leben derzeit (Stand: Juni 2022) in Deutschland, seit Kriegsausbruch im März 2022 soll sich diese Zahl unterschiedlichen Angaben zufolge um weitere mehrere Hunderttausend erhöht haben. Wer von ihnen ebenfalls einen längerfristigen Aufenthalt plant und ein Kraftfahrzeug als Transportmittel nutzen möchte, sollte für eine reibungslose Fortbewegung auf den Straßen der Bundesrepublik einige Dinge beachten.

Autofahren als Ukrainer in Deutschland

Zwar zählt die Ukraine zu Europa, ist jedoch weder Mitglied in der EU noch fällt sie unter die Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes. Unter anderem ist dies für all jene von Bedeutung, die mit einem ukrainischen Führerschein auf den Straßen der Bundesrepublik unterwegs sein möchten. Denn nach maximal sechs Monaten ununterbrochenen Aufenthalts verliert die ausländische Fahrerlaubnis hierzulande ihre Gültigkeit. Wer seinen Wohnsitz langfristig nach Deutschland verlegen möchte, muss daher nach spätestens einem halben Jahr einen gültigen EU-Führerschein vorweisen können.

Anerkennung des Führerscheins: Voraussetzungen

Für kurzzeitige Aufenthalte werden in Deutschland auch Führerscheine aus Nicht-EU-Ländern in der Regel ohne weitere Einschränkungen anerkannt. Wer jedoch für einen längeren Zeitraum als sechs Monate nach Deutschland ziehen oder sogar dauerhaft hier seinen Wohnsitz aufschlagen möchte, muss seine ukrainische Fahrerlaubnis behördlich anerkennen lassen. Dafür werden nicht nur Dokumente zur Umschreibung gefordert, sondern auch offizielle Nachweise zu Fahrtüchtigkeit und Verständnis der hier gültigen Verkehrsregeln.

Unterlagen für das Bürgeramt

Die Neuausstellung eines EU-Führerscheins für Ukrainer in Deutschland kann in Bürgerämtern und -verwaltungen vorgenommen werden. Verlangt werden dabei in jedem Fall die folgenden Unterlagen:

  • gültiger ukrainischer Pass
  • Meldebescheinigung oder sonstiger Nachweis über den deutschen Wohnsitz
  • ukrainischer Führerschein im Original inklusive einer beglaubigten Übersetzung
  • Nachweis über eine erfolgreiche Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs für Führerscheininhaber, nicht älter als sechs Monate
  • anerkannter Sehtest vom Augenarzt oder Optiker, nicht älter als sechs Monate
  • aktuelles biometrisches Passbild
  • Nachweis über eine in Deutschland bestandene theoretische wie auch praktische Fahrprüfung

Theorie- und Praxisprüfung

Zwischen ausgewählten Drittstaaten wie der Schweiz, Serbien oder Japan und Deutschland bestehen individuelle Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der jeweiligen nationalen Kfz-Führerscheine. Wer sich aus diesen Ländern in der Bundesrepublik niederlassen möchte, kann sich seinen ausländischen Führerschein daher in der Regel ohne weitere Überprüfung seiner Verkehrstüchtigkeit umschreiben lassen.  Mit der Ukraine wurde eine entsprechende Vereinbarung bislang nicht getroffen – Führerscheininhaber aus dem osteuropäischen Staat müssen für eine dauerhafte Anerkennung ihrer Fahrerlaubnis in Deutschland daher erneut eine theoretische wie auch praktische Führerscheinprüfung ablegen. Nach ihrem Bestehen wird den Betroffenen ein EU-Führerschein in aktueller Form einer Scheckkarte ausgestellt.

Folgen bei Nichtbeachtung

Nach Ablauf der halbjährigen Frist verliert der ukrainische Führerschein in Deutschland seine Gültigkeit. Wer danach weiterhin mit einem Kraftfahrzeug auf den Straßen der Bundesrepublik unterwegs ist, lenkt seinen Wagen nach hiesigen Vorschriften ohne Fahrerlaubnis und verstößt damit gegen § 21 Straßenverkehrsgesetz. Dabei handelt es sich nicht nur um eine einfache Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, die neben einer Geldzahlung auch eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr nach sich ziehen kann.

Hinweis: Mit einem anerkannten Beleg über eine maximal einjährige Aufenthaltsdauer in Deutschland kann in Einzelfällen eine Ausnahmeregelung greifen, die von einer Umschreibung des ukrainischen Führerscheins entbindet.

KFZ: Anmeldung und Überprüfung

Nicht nur der Führerschein muss anerkannt, sondern auch das Kraftfahrzeug bei der zuständigen Kfz-Zulassungsstelle angemeldet und das ukrainische Kennzeichen durch ein bundesdeutsches ersetzt werden. Auch hierfür sind Unterlagen beizubringen:

  • gültiger Pass und aktuelle Meldebescheinigung
  • Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigungen 1 und 2)
  • ausgefüllter und unterschriebener Zulassungsantrag
  • SEPA-Lastschriftmandat zum Einzug der Kfz-Steuer
  • Certificate of Conformity-Unterlagen zur Bescheinigung der EU-Typengenehmigung
  • Zollunbedenklichkeitsbescheinigung
  • Nachweis zur letzten Haupt- und Abgasuntersuchung
  • elektronische Versicherungsbestätigung

Versicherungspflicht für ukrainische Autofahrer

Fahrzeugeigentümer in Deutschland sind zur Versicherung Ihres motorbetriebenen Wagens oder Zweirads verpflichtet. Auch Autofahrer aus der Ukraine müssen im Falle eines selbst verschuldeten Unfalls für Schäden des Unfallbeteiligten oder sonstiger dritter Parteien aufkommen. Dafür müssen sie eine Internationale Versicherungskarte für den Kraftverkehr vorweisen können. Die ehemals als „Grüne Versicherungskarte“ bekannte Bestätigung gilt in mehr als 40 Ländern weltweit als Nachweis über eine bestehende Haftpflicht- oder Kaskopolice und sorgt bei Autounfällen im Ausland für reibungslose Schadensabwicklungen. Das inzwischen auch digital erhältliche und daher schwarz-weiße Dokument beinhaltet relevante Daten zum Fahrzeug, Fahrzeughalter und dessen Versicherung und behält im Normalfall für drei Jahre nach Ausstellung seine Gültigkeit.

Hinweis: Als Entgegenkommen für ukrainische Flüchtlinge galt für einige Monate eine Ausnahmeregelung, nach der Schäden durch unversicherte ukrainische Autofahrer durch deutsche Versicherungsunternehmen beglichen wurden. Ende Mai 2022 wurde dieses Privileg wieder eingestellt.

Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung

Die Straßenverkehrsordnung enthält Vorschriften für sämtliche Teilnehmer im öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland und findet damit auch Anwendung auf Ausländer. Auch Verkehrsverstöße durch Flüchtlinge aus der Ukraine können mit Bußgeldern geahndet werden – bei Härtefällen allerdings lassen deutsche Behörden einige Monate nach Kriegsbeginn noch Milde walten. Zudem gestaltet es sich für die zuständigen Behörden oftmals als kompliziert, den Halter eines Nicht-EU-Fahrzeugs zu ermitteln, solange ein Umschreiben des Wagens noch nicht stattgefunden hat. Dennoch sollten auch ukrainische Mitbürger vorgeschriebene Verhaltensregeln einhalten, um ein reibungsloses Miteinander zu gewährleisten und mögliche Strafzahlungen zu umgehen.

Weitere Informationen sind hier zu finden:
https://www.bussgeldkatalog.org/ukrainischen-fuehrerschein-umschreiben/ und
https://www.bussgeldkatalog.org/news/infos-fuer-fluechtlinge-aus-der-ukraine-mit-dem-auto-in-deutschland-unterwegs-5873053/

Bericht: Bussgeldkatalog.org